2006/07/21

Fazit


Die technischen und medialen Entwicklungen der letzten Jahre haben für die Geschichtswissenschaften einschneidende Veränderungen mitgebracht. Diese können nicht rückgängig gemacht werden. Die neuen Medien müssen von den Historikern mitgestaltet werden, damit sie auch den Bedürfnissen der Geschichtswissenschaften Rechnung tragen. Historiker verfügen traditionell genau über diejenigen Kernkompetenzen, die es braucht, um im Internet Informationsräume zu bilden: Quellenkritik und die Fähigkeit zur kritischen Analyse. Der kreative Umgang mit diesen Kompetenzen sowie der Wille, die laufenden Debatten über die Zukunft der Neuen Medien mitzugestalten, müssten traditionell zu den Aufgaben des Faches gehören. Fest steht: „NICHT EUPHORIE UND AKTIVISMUS SIND HEUTE GEFRAGT, SONDERN DIE BEREITSCHAFT, SICH INHALTLICH MIT DEN RAHMENBEDINGUNGEN EINER GESCHICHTSSCHREIBUNG IM DIGITALEN ZEITALTER AUSEINANDERZUSETZEN.“ (Haber, Peter: Geschichtswissenschaften im digitalen Zeitalter. Eine Zwischenbilanz. In: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, 56 (2006), Heft 2, S. 183.) Die Geschichtswissenschaften sollen nicht nur die Selbst- und Fremdbilder des Menschen und seine Kommunikationsformen, Wertsysteme, Sprachen und Erkenntnismethoden kritisch reflektieren. Zu ihren Aufgaben gehört es auch, neue Modelle der Interaktion und Kommunikation zu konzipieren und die bewusste Weiterentwicklung der Gesellschaft zu ermöglichen.
Die Dynamik eines globalisierten Informationsmarktes und immer kürzer werdende Innovationszyklen im Bereich der Datenspeicherung und Archivierung verlangen auch nach neuen Schwerpunkten in der Ausbildung. Die Vermittlung von Medienkompetenz muss integraler Teil der universitären Lehre werden. Das Zeitalter der Buchkultur hat seit Mitte des 19. Jahrhunderts ein Regelwerk zur Speicherung, Ortung und Evaluation von Informationen entwickelt. Archive und Bibliotheken standardisieren ihre expliziten und impliziten Qualitätskontrollen immer stärker. Neue Medien wie das Internet verlangen aber nach neuen Suchkompetenzen und Authentifizierungs-mechanismen. Diese Kompetenzen zu vermitteln, muss Aufgabe der Bildungs-einrichtungen sein.
Die mit Web 2.0 stärker in den Vordergrund tretenden offenen Systeme (Weblogs, Wikipedia, Open-Source-Software) unterstützen eine prozesshafte, transparente Arbeitsweise. Die konsequente Nutzung des Prinzips der Partizipation und die daraus resultierende Ausrichtung auf die kollektiven Kompetenzen führen gleichsam zu einer Bündelung und Verteilung des Wissens. Offene Systeme sind kostenlos und ausbaubar, entwickeln sich schneller und profitieren vom Fachwissen einer Gemeinschaft. Der Arbeitsprozess gerät dadurch stärker in den Mittelpunkt als das Endresultat. Durch diese Prozesse wird gleichzeitig auch das Wissensangebot immer vielfältiger. Da die Vielfalt an Such- und Informationsräumen stetig wächst, wird es heute immer wichtiger, „DIE EIGENEN HEURISTISCHEN VERFAHREN OFFEN ZU LEGEN UND ALS GRUNDLEGENDEN PROZESS WISSENSCHAFTLICHER ERKENNTNIS IN DER EIGENEN FORSCHUNGSARBEIT ZU DOKUMENTIEREN.“ (Krüger, Stefanie: Die Erschliessung digitaler und analoger Suchräume. Anforderungen an heuristische Verfahren. In: Epple, Angelika & Haber, Peter (Hrsg.): Vom Nutzen und Nachteil des Internet für die historische Erkenntnis. Version 1.0. Zürich 2005. S. 92. (= Geschichte und Informatik 15)) Die Transparenz und Überprüfbarkeit des eigenen Vorgehens bestimmen die Qualität einer wissenschaftlichen Arbeit massgeblich. Das betrifft die Auswahl von Inhalten ebenso wie die Arbeitsmethodik und die relevanten Ergebnisse. Auch das Thematisieren solcher Problemaspekte sollte in die Arbeiten mit Internetressourcen miteingebunden werden.
Die Öffnung hin zu einem transparenten, offenen und dynamischen Erkenntnisprozess geht mit gebündelter Fachkompetenz, Diskurs, Beteiligung und Perspektivenvielfalt einher. Die vernetzten Formen der Vermittlung der Informationen, allen voran der Hypertext, bieten zudem den Vorteil, dass sich historische Erkenntnis auf interessante Weise erarbeiten und darstellen lässt: zentrale Fähigkeiten wie Konstruktion und Dekonstruktion, das Abgleichen verschiedener Perspektiven und die kritische Prüfung der Methodenanwendung können gut umgesetzt werden; wissenschaftliche wie soziale Fähigkeiten (strukturierte Interaktion, gemeinsame Begriffsbildung, Denken in spezifischen informellen Einheiten, bewusste Auseinandersetzung mit dem Prozess des Schreibens, Denken in Zusammenhängen) werden gefördert. Ein weiterer Vorteil: die produzierten Inhalte sind nicht abgeschlossen; man kann die Arbeit weiterführen, und das entspricht dem diskursiven Charakter der Geistes- und Kulturwissenschaften eindeutig.
Die Auseinandersetzung der Geschichtswissenschaften mit den Quellen erfolgt diskursiv; das ist auch mit dem Internet nicht anders. Die neuen Strömungen des Web 2.0 sind auch im Spiegel des medialen Wandels zentral, denn sie repräsentieren einen veränderten gesellschaftlichen Hintergrund. Eine Geschichte des 21. Jahrhunderts (Informationsgesellschaft) wird die dynamischen, prozesshaften Quellen der Neuen Medien berücksichtigen und reflektieren müssen. Empirische Untersuchungen und eine methodisch-instrumentative Auseinandersetzung mit dem Internet als Informationsraum wären dringend nötig. Die Geschichtsschreibung des 21. Jahrhunderts darf sich den neuen Formen nicht verschliessen. Es stellt sich die Frage, ob die mit der Entwicklung des Web 2.0 einhergehenden positiven Entwicklungen Perspektivenvielfalt, Diskursivität und Prozessualität auch für die Historiographie einen Versionensprung herbeiführen können.

2006/07/19

Quellen: Clio-online


Clio-online ist ein zentrales Internet Fachportal zur Geschichte. Seit Mai 2002 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert, ermöglicht das Projekt durch seine Online-Dienste und Service-Angebote einen effizienten Zugang zu den umfangreichen Online-Ressourcen innerhalb der Geschichtswissenschaften.
Homepage Clio-online

Lehre: ETH Webclass


Webclass ist die webbasierte Lernumgebung der Professur für Technikgeschichte an der ETH Zürich. Als Bestandteil des Schwerpunktes "Wissenschaft, Technik, Gesellschaft" des Pflichtwahlfaches GESS bietet Webclass die Möglichkeit, online eine Lehrveranstaltung zu absolvieren. Durch Leistungsnachweise in Form von Lernkontrollaufgaben können 2 Kreditpunkte des Pflichtwahlfaches D-GESS in Webclass erworben werden. Die Webclass steht den ETH-Studierenden aller Fachdepartemente sowie den Studierenden des Historischen Seminars der Universität Zürich offen und besteht aus vier Lehrveranstaltungen (Körper, Kommunikation, Energie, Umwelt), die in einem modularen Aufbau parallel oder unabhängig aufgeschaltet werden. So widmet sich z. B. das Modul Kommunikation im Sommersemester 2006 folgendem Inhalt: Der gesellschaftliche Bedarf an Informationsaustausch und die technischen Möglichkeiten der Nachrichtenübermittlung beeinflussen sich wechselseitig. Die Lehrveranstaltung verfolgt diesen Prozess vom 18. Jahrhundert bis heute, vom Brief bis zum Internet.
Webclass ETH
Modul Kommunikation SS 2006

Information: Mailinglists


Über Mailinglisten lassen sich Fachinformationen als E-Mail-Newsletter abonnieren. Folgende Angebote sind empfehlenswert:
H-Soz-u-Kult ist ein moderiertes Informations- und Kommuni-kationsnetzwerk für professionell tätige Historikerinnen und Historiker. Seit 1996 hat sich H-Soz-u-Kult zu einem zentralen Angebot der historischen Fachinformation im deutschsprachigen Raum entwickelt. Nach einer Anmeldung bei H-Soz-u-Kult erhält man täglich per E-Mail aktuelle Beiträge aus dem wissenschaftlichen Geschehen. Zugleich kann man selber fachrelevante Informationen aus der eigenen laufenden Arbeit über die Mailingliste publizieren.
HSozKult
Ein wichtiges Mailinglist-Portal hostet die Universität Indiana. Man findet neben einer grossen Sammlung verschiedener Listen (aus allen Fachgebieten) auch Hilfe und administrative Tipps.
Listserv
KBX ist ein werbefreier Mailinglist-Hosting-Service; empfehlenswert für den Aufbau eigener Verteilerlisten.
KBX

Recherche: Google Scholar


Google Scholar ermöglicht eine allgemeine Suche nach wissenschaftlicher Literatur. Von einer Stelle aus können viele verschiedene Bereiche und Quellen durchsucht werden: dazu gehören von Kommilitonen bewertete Seminararbeiten, Magister-, Diplom- sowie Doktorarbeiten, Bücher, Zusammenfassungen und Artikel, die aus Quellen wie akademischen Verlagen, Berufsverbänden, Magazinen für Vorabdrucke, Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen stammen. Google Scholar soll helfen, die wichtigsten Arbeiten auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Forschung zu ermitteln (praktische Suche in verschiedensten Quellen von einem einzigen Ort aus; Finden von Arbeiten, Zusammenfassungen und Zitaten; Auffinden von vollständigen Arbeiten über Ihre Bibliothek oder im Internet; Ausfindigmachen der wichtigsten Arbeiten auf einem beliebigen Forschungsgebiet).
Google Scholar

Hilfsmittel: RSS


RSS ist ein Dateiformat für den XML-basierten Austausch von Nachrichten aller Art. Das Kürzel hat verschiedene Auslegungen erfahren, von Rich Site Summary oder RDF Site Summary bis zu Really Simple Syndication. Trotz der verschiedenen Erklärungen geht es bei RSS-Formaten immer darum, Informationen strukturiert abzulegen und sie für die automatisierte Verarbeitung durch RSS-Leseprogramme bereitzustellen. RSS wurde geschaffen, um Nachrichten von Internetportalen zu verbreiten, und hat sich inzwischen zu einem weitverbreitetem Standard für den automatisierten Austausch von Nachrichten und menschlicher Kommunikation (Weblogs, Diskussionsforen) entwickelt. Den Produzenten von RSS-Strömen ermöglicht das Format Interessenten einfach und schnell auf neue Inhalte hinzuweisen, für Leser ergibt sich durch die automatisierte Abfrage und Aufbereitung von RSS-Strömen eine grosse Zeitersparnis, da sie nicht mehr jede Webseite persönlich besuchen müssen und die aufbereiteten Formate nach den jeweiligen Interessenschwerpunkten filtern können.
Deutsches RSS-Verzeichnis
RSS: mehr Informationen

Quellen: Pastperfect


Kulturwissenschaftliche Websites reproduzieren zumeist (was Aufbau und Strukturierung der Inhalte betrifft) das traditionelle Referenzmedium Buch. Das Projekt Pastperfect versucht, (geschichts-)wissenschaftliche Inhalte anhand der obigen Definition von Hypertext zu vermitteln; das Gleichzeitige des Ungleichzeitigen sollte anhand vielfacher Bahnen, denen die User assoziativ folgen können, transparent werden. Die Ebenen sind durch kontextsensitive Links verknüpft; solche typisierte Links sind wichtig und bieten Möglichkeit einer stark individualisierten Kontextualisierung der modularisierten Inhalte. Es wurde eine datenbankbasierten Text- und Bildlandschaft entwickelt, die sich per se der Möglichkeit verschliesst, linear rezipiert zu werden. Man hat es also mit einem Netzwerk einzelner Geschichten und möglicher Erklärungen zu tun, die neben- und miteinander Geltung haben können und offen sind für neue, kommende Geschichten: An die Stelle des Einheitsdenkens tritt die prinzipielle Anerkennung der Differenz, Pluralität und damit auch die Einsicht in die notwendige Unabgeschlossenheit der Forschung. Besonders positiv ist die Tatsache zu bewerten, dass anhand dieses Projektes zeigen lässt, dass sich die Vergangenheit nicht auf einen Nenner bringen lässt; geschichtswissenschaftliche Forschung muss mit einer Vielzahl von Perspektiven und Methoden operieren, um der überkomplizierten Vergangenheit gerecht zu werden. Der diskursive Charakter der Wissenschaft kann dank Hypertext transparent gemacht werden: die Vielheit möglicher Wahrheiten lässt sich an einem Ort umsetzen.
Homepage Pastperfect

Hilfsmittel: Mediale Historiographien


Das Verhältnis von Geschichte und Medien wurde in den letzten Jahrzehnten aus verschiedenen Perspektiven diskutiert. Denn einerseits hat die aktuelle Berichterstattung immer wieder Debatten ausgelöst, die um die mediale Inszenierung historischer Ereignisse kreisen. Andererseits hat sich in neueren Theorien der Medien wie der Geschichtsschreibung die Frage gestellt, wie unterschied¬liche Medien die Kodierung historischer Situationen und Prozesse bestimmen. Das Graduiertenkolleg Mediale Historiographien nimmt Diskussionen dieser Art zum Anlass und verfolgt eine Problemstellung, in der sich die Frage nach einer ‚Geschichte der Medien‘ mit der Frage nach den ‚Medien der Geschichtsschreibung‘ verschränkt. Die Verschränkung von Medien und Geschichte lässt sich dabei – im Zeitraum von 1800 bis zur Gegenwart – auf unterschiedlichen Ebenen thematisieren. Während man in den Massen¬medien Selektionsbedingungen für die Relevanz von Ereignissen erkennen kann, liefern unter¬schiedliche Darstellungsmedien (Text- und Bildmedien, analoge und digitale Medien) je verschie¬dene Repräsentationsweisen von historischen Zusammenhängen, Brüchen und Umwälzungen. Und während Kommunikationsmedien (von der Telegraphie bis zum Internet) eine eigene Quali¬tät historischer Daten produzieren, wird die Geschichtsschreibung selbst auf jene medialen Infra¬strukturen verwiesen, die mit Archiven und Bibliotheken, Sammlungen und Museen bestimmte Speichertechniken zur Verfügung stellen. Mit diesen Fragen geht es nicht nur darum, die Rolle von Medien bei der Formation historischen Wissens zu verfolgen. Es werden vielmehr Aufschlüsse über die Wirksamkeit von Medien in verschiedenen Kulturen erwartet, die nicht zuletzt in die Frage nach der Möglichkeit von Mediengeschichte selbst münden: in die Frage nämlich, wie Me¬dien und Medientechniken ihre je eigene Geschichtsschreibung bestimmen.
Homepage Mediale Historiographien

Recherche: Virtual Library History


Die VLib-AAC:History der Niedersächischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (SUB) bietet einen fachlichen Zugang zu den Informationsdatenbanken und Katalogen sowie zu den gedruckten und elektronischen Materialien der Bibliothek, die für Historiker relevant sind. Die angebotenen Leistungen umfassen neben der Online-Direktbestellung gedruckter Medien auch den direkten Zugang zu elektronischen Quellen und Datenbanken. Sie wird betreut vom Fachreferat Geschichte, das in dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten System der überregionalen Literaturversorgung für das Sondersammelgebiet (SSG) angloamerikanische Geschichte zuständig ist. Der Schwerpunkt der Erwerbungs- und Erschliessungsarbeit liegt daher auf Büchern und Internetressourcen zur Geschichte Grossbritanniens, Irlands sowie Kanadas, der USA, Australiens und Neuseelands.
Homepage VLib-AAC

Recherche: Wikipedia


Wikipedia ist eine von freiwilligen Autoren verfasste, mehrsprachige, freie Online- Enzyklopädie. Der Begriff setzt sich zusammen aus Encyclopedia (englisch für Enzyklopädie) und „Wiki“ (einer grösstenteils serverseitigen Software, mit der jeder Internetnutzer im Browser Artikel editieren oder neu anlegen kann). Das im Januar 2001 gegründete Projekt bezeichnet sich als freie Enzyklopädie, weil alle Inhalte unter der GNU-Lizenz für dreie Dokumentation stehen; diese räumt jedermann das Recht ein, die Inhalte unentgeltlich – auch kommerziell – zu nutzen, zu verändern und zu verbreiten. Wikipedia gilt als die umfangreichste Sammlung originär freier Inhalte.
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